Von der Unmöglichkeit, der eigenen Weisheit Folge zu leisten
Ja - warum ist das eigentlich so schwierig? Wir kennen das ja: Wenn andere uns ihre aktuelle Situation erzählen, ihre Aussichtslosigkeit, ihr Herumpaddeln in den menschlichen Möglichkeiten, dann haben wir immer einen guten Rat parat, einen Plan, eine Idee wie alles besser werden könnte! Eine Idee die, so denken wir, gerade wenn wir die Person gut kennen, zu ihr passt! Die sinnvoll ist, von praktischem Nutzen, und deshalb weise.
Und wenn wir dann anfangen, unsere Lebenssituation mit dem anderen zu vergleichen - oder und an die Ratschläge erinnern, die wir selbst bekommen haben, ja selbst wenn wir die innere Weisheit darin erkennen, sorgt es nicht dafür, dass wir ihr folgen. Folgen wollen, oder folgen können.
Das Erste was man im Leben lernt, wenn man den Kinderschuhen entstiegen ist - oder auch schon früh während der Schulzeit - ist, dass es befriedigend ist, den Tag mit etwas Sinnvollem zugebracht zu haben. Etwas 'geleistet' zu haben, etwas aus den Weg gebracht zu haben. Wenn wir uns abends mit einem reinen Gewissen ins Bett legen, dann fühlt es sich gut an. Richtig. Und echt. Es ist kein vergeudetes Leben, keines, das einfach so vor sich her fließt und kurzeilige Freude bringt, aber einen nachts mit schlechtem Gewissen wach hält. Arbeit macht glücklich - wenn sie nutzbringend ist und trotzdem ist 'Arbeit' das letzte in unserem Leben, das wir 'freiwillig' wählen.
Nichtstun macht unglücklich, unzufrieden, es ist kein Spiegel unserer Fähigkeiten und hat kaum Wert für den geist. Dennoch ist Nichtstun uns ein Genuss und lieber als die Arbeit.
Warum?
Warum und was bringt das?
Ist es so sinnvoll, sich selbst schuldbeladen und unglücklich zu machen, indem man freie Tage und Wochen für 'nichts' nutzt? Indem man die Arbeit, die einem das gute Gefühl geben kann 'etwas' zu sein, als Last erachtet und sie zu meiden versucht?
Ich habe zwei Jahre an einer Bachelorarbeit gesessen, die ich binnen weniger Wochen hätte fertigstellen können. Ich habe viele Jahre meines Studiums mit zu viel Freizeit zugebracht, die ich hätte an meinem Buch arbeiten können, Sprachen lernen, oder Geld verdienen. Alles wäre innerlich befriedigender gewesen als das was ich tat. Und die Erfolge in meinen Hobbys: Das basteln von html Zeug und so weiter, sind nichts das mein Gewissen beruhigen könnte.
Und obwohl die Vergangenheit uns nicht fesseln darf sondern lehren soll, hält mich jetzt der gleiche innere Drang der mich zum 'langsam voranschreiten' gezwungen hat davon zurück, überhaupt voran zu schreiten.
Ist das Leben ein so schlechter Lehrer - oder bin ich eine so begriffsstutzige Schülerin?
Stimmt nicht. Ich habe die Ratschläge schon verstanden: Probier was aus, du brauchst das Geld, wenns nicht klappt: Such dir etwas Neues! Sei mutig! Sei neugierig, sei furchtlos. Du musst nicht alles wissen und können, aber du musst alles wissen wollen, alles lernen wollen, was zu deiner potenziellen Zukunft gehört - und wenn sie sich als unerfreulich erweist, lässt du los und machst woanders weiter!
Das sind gute Ratschläge, richtige Ratschläge. Ihre Weisheit bindet mich an den Stuhl, von dem sie mir raten aufzustehen. Vielleicht hat es alles etwas mit Entwicklung, mit dem Sprung ins kalte Wasser zu tun, mit der Notwendigkeit. Aber muss ich jedesmal in meinem Leben, erst an den Punkt kommen an dem ich glaube 'ich schaff es nicht' nur um mir selbst das Gegenteil zu beweisen?
Wirkliche Weisheit ist vermutlich zu handeln - und niemals stehen zu bleiben. Einmal gestanden sitzt oder liegt man schnell. Und dann kommt man nur schwer wieder auf die Beine.