Über Freundschaft...oder weniger, oder mehr
Freundschaften gehen. Manche still und leise… andere brechen, bersten und splittern – laut und nachdrücklich. Ufern aus in einem gewaltigen Streit bei dem man sich fragt, ob man ernsthaft befreundet war, ernsthaft die gleichen Dinge gesagt und geglaubt hat und ernsthaft dachte, dass das ewig so sein wird. Dass das endlich mal etwas ist, das von Dauer ist… während sich die Freunde aus Kindertagen davon schleichen und die Freunde der Jugend sich verändern. Aber auch das Erwachsensein befreit einen nicht von dem Wandel, der jeden Menschen ergreift. Es befreit einen nicht davor, sich zu verändern – es befreit nicht davor zuzusehen, wie andere sich verändern. Und nicht vor der Erkenntnis, dass manche Dinge einfach nicht mehr so funktionieren können, wie es vorher der Fall war. Alles schwindet. Alles geht. Beständigkeit ist selten geworden in unserer Zeit – in der man sich per Tastendruck neue Freunde anschafft und wieder abschafft. Was bricht, hatte vielleicht schon eine Weile Risse… war labil geworden durch Unstimmigkeiten und Streit. Oft haben andere damit zu tun, dass es bricht. Aber sie sind nicht der Grund… nicht die Kraft die auf die Freundschaft wirkt und sie zunichte macht. Die kann nur von den Beteiligten kommen – nur von denen, zwischen denen unbemerkt etwas zerstört wird. Es ist dieselbe Kraft die vorher die Freundschaft zusammen gehalten hat – aber die Richtung in die diese Kräfte wirken, ist nicht mehr dieselbe. Und wenn man seinen Weg gehen will – und das muss man früher oder später - dann geht man ihn getrennt voneinander. Das ist traurig, insbesondere in dem Moment in dem es passiert. Es ist traurig weil man weiß, man kann es stoppen – man kann es aufhalten – aber es ist ein Aufschub. Man kann den anderen nicht zurück verändern und man will sich selbst nicht zurück verändern. Man fragt sich, wie lange einem das noch wichtig sein wird… dass man sich versteht, obwohl man weiß, was man verloren hat.
Man fragt sich, ob das Wissen einen empfindlicher macht – ob die Angst einander zu verlieren dafür sorgt, dass man grausam zueinander ist. Man fragt sich, ob es besser wäre es auszusprechen: Du und ich… wir sind keine Freunde mehr, wie früher. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dir alles anvertrauen zu können… weil ich Angst habe, dass wir mal über etwas in Streit geraten, das mir wirklich wichtig ist. Ich habe nicht mehr das Bedürfnis zu dir zu kommen… weil meine Erinnerungen an unsere Gespräche auf Streit beruhen. Weil wir ganz anders denken.
Macht es das besser?
Macht es das schlimmer? Die Alternative ist abwarten. Niemand bricht so einfach komplett den Kontakt ab wegen nichts. Eine zerbrechende Freundschaft ist nicht ‘nichts’ im Ganzen – aber im Einzelnen ist sie unscheinbar. Niemand gibt den Kontakt auf, wegen einer Meinungsverschiedenheit. Und niemand macht es wegen tausend Meinungsverschiedenheiten… nicht einfach so – rational, nicht wenn man befreundet war. Aber was auseinander gebrochen ist, driftet nach und nach auseinander. Und wer kann schon sagen, wohin das führt?
Nachdem mein erster Freund schlussgemacht hatte, war ich ein Meister darin geworden, Schlussstriche zu ziehen. Ich habe es gehasst – dass er für sich gegrübelt und entschieden hat und wir dann getrennt waren. Aber ich habe es mir angeeignet, weil es leicht und sinnvoll erscheint. Man kürzt Monate der Zweifel, weitere Streitigkeiten, Unsicherheit, Unwohlsein ab und lässt nicht zu, dass die schon brüchig gewordenen Ketten einen fester umschlingen. Man verkürzt und verstärkt das Leiden. Auch weil manchmal die Geduld fehlt, eine Beziehung auslaufen zu lassen.
Aber eine Freundschaft? Zwar sagt alles in mir: Ja. Das wäre am einfachsten. Keine Unsicherheit mehr darüber, was du schreibst oder sagst – keine Sorgen mehr. Und du weißt: Es wird eh auseinander gehen… es tut es unentwegt. Es entgleitet dir – oder euch. Und es ist in Ordnung. Es ist der Lauf der Dinge. Dass es euch beiden so geht, macht es ‘in Ordnung’ obwohl es entsetzlich traurig stimmt. Und du weißt… es wird nicht lange entsetzlich traurig stimmen… Menschen kommen darüber hinweg. Es ist ok.
Es ist nicht ok.
Du kommst darüber hinweg – ja. Natürlich, denn man kommt über vieles hinweg, und das muss man heutzutage ja auch. Man macht sich eine Weile etwas vor… um Aufschob zu bekommen, damit die offenkundigen Gedanken sich an die unterbewussten Ahnungen gewöhnen können… und wenn man es sich eingesteht – ist es nur noch einkurzer Schritt zum ‘drüber hinweg kommen’. Das ist unvermeidlich. Aber ok ist es nicht.
Freundschaften bricht man aber nicht einfach komplett ab – ohne dass etwas gewesen ist – einfach weil man anders denkt. Anders denken definiert uns. Anders denken macht uns aus… und unser einziges Problem besteht darin, dass wir dem anderen unsere Sichtweisen erklären können – aber sie niemals komplett verständlich machen können, es sei denn sie gleichen sich zufällig in einem Punkt. Wir können auf der Basis von Annäherung sprechen und hoffen, dass der andere zwar ‘dies und das’ nicht gut findet, nicht versteht… insgesamt aber verstehen kann, wie man drauf kommt. Oder es zumindest versucht. Aber mehr können wir niemals erwarten. Nicht, wenn wir schon auseinander driften. Wir können uns jeweils unterschiedliche Blickwinkel ermöglichen, wenn wir lernen uns selbst in den Hintergrund zu stellen und zu zuhören… und die Blickwinkel werden indirekt auf unsere Ansichten wirken… aber wir werden keine Ansicht teilen, nur weil wir es gerne wollen – oder wissen, dass es uns verbinden würde. Niemand ist in der Lage, sich so weit zurück zu stellen und zufrieden und glücklich zu sein. Niemand sollte in der Lage sein, das zu tun.
Freundschaften werden lockerer… weniger intensiv, starr oder fest. Das bedeutet nicht, dass sie zerreissen oder nicht mehr existieren – aber es bedeutet auch, dass sie nicht mehr existieren wie sie mal waren. Das ist gut… das ist eine Veränderung, eine Entwicklung. Es ist keine Entwicklung die man wollte, oder sich ausgesucht hat – aber manchmal eine die sich aufdrängt und sich nicht verhindern lässt. Sich das zu sagen, hilft nicht. Nicht in diesem Moment und vielleicht nicht später – aber das soll es auch gar nicht. Wir wollen uns nicht verinnerlichen, dass Freundschaften kommen und gehen. Wir wollen uns nicht daran erinnern, dass das ständig passiert – oft passiert ist und weiter passieren wird. Wir wollen uns nicht klar machen, dass das auf unser aktuelles Leben zutrifft, unsere Freunde, unsere gesamte Umgebung. Wir können versuchen etwas zu halten, das wir als gut, stabil und perfekt empfinden. Aber wenn es weniger gut, instabil und fehlerhaft wird weil man sich verändert – oder weil man sich als Einziger nicht verändert... dann wird man den Versuch irgendwann aufgeben.
Man wird verbunden sein durch Erinnerungen der Vergangenheit, und man wird sich beeinflussen in der Gegenwart und man wird nicht wissen, was die Zukunft bereit hält. Man wird sich nicht vormachen, dass etwas, das einmal brüchig wurde von Dauer ist. Aber man wird deswegen nicht weniger haben.
Vielleicht hat man deswegen sogar mehr… muss eine Freundschaft die ‘beständig und sicher’ ist aufgeben, um eine Freundschaft zu führen, die sich verändert, die Veränderungen zulässt ohne alles zu zerstören.
Vielleicht ist es das, was wir selbst von der besten Freundschaft hoffen dürfen und sollten. Grandios in der Vergangenheit. Gut in der Gegenwart. Flexibel in der Zukunft. Vielleicht können wir mehr nicht erwarten. Oder vielleicht ist das das ‘mehr’ das man erwarten kann, wenn man die vorige Stufe hinter sich gelassen hat.
miss maybe am 31. August 12
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