Zeitlos
Als Kind ist man reich. Egal wie es einem geht… man lebt davon sich vorzustellen, wie es später wird. Vielleicht geht es einem zugleich gut, man ist behütet und glücklich und kann, zusätzlich zu den Träumen die zum Glück noch ganz viel Zeit haben, in den Tag hinein leben! Genießen, was man bekommt, und sich wünschen was man noch nicht hat. Man hat so viel Zeit vor sich, dass man nicht einmal darüber nachdenken muss um sich zu beruhigen.
Ich kann mich wirklich nicht erinnern, mir jemals gesagt zu haben ‚du bist 12, es hat noch ganz viel Zeit‘. Und ich glaube auch nicht, dass das nötig war.

Wenn man älter wird, hat man immer noch dieselben Träume – und dann geht es ans ‚verwirklichen‘. Und je nachdem wie man aufgewachsen ist, ist das nicht so leicht. Nicht, weil die Eltern sich einem zwangsweise in den Weg stellen sondern auch, weil man nie realisiert hat, dass Träume verwirklichen auch Arbeit bedeutet. Dass man das machen muss, was man ‚nicht‘ mag um das zu erreichen, was man mag. Dass die Zeit, die einem ewig schien und über die man nicht nachgedacht hat, einem plötzlich auf den Fersen ist und man irgendwie Schritt halten muss. Kurz vorher bekommt man das natürlich alles schon erzählt – aber man denkt noch ‚ja klar, aber ich hab doch Zeit‘. Monate… Wochen… für andere Dinge sogar Jahre. Und dann ist man irgendwann Mitte Zwanzig – lange nicht so weit wie man gerne wäre und fragt sich, wo die ganze Zeit eigentlich geblieben ist. Ruft sich in Erinnerung was man alles hatte erreichen wollen bis ‚hierhin‘ und welchen guten Ratschläge man in den Wind geschossen hat, um all das eben nicht zu erreichen.
Und man schaut zurück und sagt sich: Ich hatte so viel Zeit – aber jetzt ist sie vorüber.
Und man schaut nach vorne und sagt sich: Ich habe auch noch Zeit, aber die, die vorüber ist hol ich nie wieder ein!
Und plötzlich ist es kein ‚träumen‘ für die Zukunft mehr, sondern der Moment in dem man entweder seine Träume aufgibt, oder daran arbeitet. Beides unerfreulich – und das Erste eigentlich keine Option.

Aufschieben geht auch jetzt noch… das kann man nämlich ein Leben lang – nur je länger man es macht umso unwahrscheinlicher ist es, dass man ‚irgendwas‘ erreicht. Und irgendwann sitzt man in einem Bus, beobachtet lachende Schulkinder und hat das dringende Bedürfnis ihnen zu sagen, dass ‚das hier‘ ihre beste Zeit wird. Leben – ohne tiefgehende Sorge. Träume – ohne daran arbeiten zu müssen. Jede Menge Zeit. Und zugleich möchte man sagen ‚fang einfach früher an‘ – auch wenn es die Harmonie zerstört, die sie sich eigentlich noch erhalten dürfen.